An(ge)dacht

Gott lieb Vielfalt

In diesen Tagen und Wochen gehen hunderttausende in unserem Land auf die Straße die einen demonstrieren für Demokratie und Menschenrechte in unserem Land, die anderen wollen ausgelassen und fröhlich feiern, um die Sorgen für ein paar Stunde zu vergessen. Und nicht wenige tun beides. Das alles geschieht in einer Welt, die ja irgendwie aus den Fugen zu geraten scheint: Kriege, Gewalt und Katastrophen weltweit, sowie Hass, Hetze und Umsturzfantasien auch in unserem Land lassen viele Menschen sorgenvoll in die Zukunft schauen. Solange ich denken kann - vermutlich sogar noch ein bisschen länger - feiere ich Karneval, oder wie man in meiner Heimat sagt „Fosenisch“ und je älter ich werde, desto deutliche wird mir, dass es nicht nur um ein paar unbeschwerte Tage geht: In der kostümierten Fröhlichkeit spielen plötzlich die gesellschaftlichen Unterschiede aufgrund von Herkunft, Alter, Beruf, Geschlecht, Besitz, Ansehen oder Weltanschauung, die häufig unseren Alltag bestimmen, eine deutlich kleinere Rolle. Das gemeinsame Ziel ein paar fröhliche Stunden zu erleben, führt in aller Regel zu einem friedlichen und aufmerksamen miteinander. Auch wenn es leider Beispiele für gegenteilige Erfahrungen gibt, die absolute Mehrheit der Menschen, die ich an Karneval treffe, positionieren sich sehr eindeutig gegen aggressives, ausgrenzendes oder grenzverletzendes Verhalten. Auch bei den großen Demonstrationen der vergangenen Wochen ist ein Geist zu spüren, der einerseits klar gegen menschenverachtendes, aggressives und ausgrenzendes Verhalten einsteht und andererseits Spielraum lässt für eine Vielfalt von Menschen von unterschiedlicher Herkunft, Beruf, Alter, Geschlecht, Weltanschauung oder politischer Ansicht.

Wenn ich mir die Gesichter der Menschen, die in diesen Tagen auf die Straße gehen, so anschaue, dann wird mir bewusst, dass Gott offenen sichtlich die Vielfalt liebt. „Jeder Jeck ist anders“ sagt man im Rheinland und weiß, dass man trotzdem miteinander schunkeln kann. Die Unterschiede, die bisweilen auch herausfordernd sind, dürfen nicht durch Gewalt und Hass und Ausgrenzung beseitigt werden, sondern müssen durch Respekt, Toleranz und Nächstenliebe überbrückt werden. Eine bunte, vielfältige, friedliche Welt ist keine unerreichbare Utopie, wir leben mitten in ihr. Diese bereichernde Vielfalt zu feiern und zu verteidigen, dafür lohnt es sich wirklich auf die Straße zu gehen. Am Aschermittwoch ist dann doch nicht alles vorbei. Die Besinnung auf die eignen Stärken und Schwächen ist lediglich ein weiterer Schritt in eine friedliche, bunte und tolerante Gesellschaft, die auch die Herausforderungen unserer Zeit verKRAFTen kann.  

Ein paar unbeschwerte Tage und einen guten Start in die Fastenzeit wünscht Ihnen
Richard Schu-Schätter

 

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